Klangkulisse virtuell generiert. Selbst bei diesem Retro-
Klingelton des iPhones denkt ja niemand mehr, dass da ein
altes Wählscheibentelefon klingelt. Alle denken: Ah, ein
iPhone.“
Und wenn die koreanische Automarke Kia in diesem
Sommer ihre Antwort auf den Golf GTI im Handel platziert,
wird dieser Kia Ceed GT zum ersten Auto diesseits des Lu-
xussegments, das bereits serienmäßig über einen elektro-
nisch modifizierten Motorensound verfügt. Der eigentlich
eher brave Vierzylinder-Benziner wird per Soundmodul
zum Sportler gemixt.
Warum Sounddesign so wichtig ist? Weil die Menschen
das Akustische mit anderen Kriterien bewerten als das
Visuelle. Wenn uns beispielsweise das Design eines Autos
nicht gefällt, formulieren wir dies zunächst in rein ästheti-
schen Kriterien. Besagtes Modell ist also hässlich, „prollig“
oder schlicht nicht unserem Stil entsprechend. Entspricht
aber der Sound nicht unseren Erwartungen – rasselt der
Motor oder klappert die Karosserie –, wird aus dem sub-
jektiven Geschmacksempfinden ganz leicht ein vermeintlich
objektives Gefahrempfinden. Das Auto klingt nicht nur
weniger hochwertig, sondern sogar defekt. Stellen Sie sich
etwa ein hochintelligent entwickeltes und tadellos produ-
ziertes Passagierflugzeug vor, das dennoch sein Geräusch-
Management nicht im Griff hat. Was kaputt klingt, kann
eben auch nicht ganz sein.
„Kaputt“, so Friedrich Blutner, „sind die Klänge eh schon
viel zu oft. All das Knirschen, Poltern und Rauschen der
Alltagsgeräusche: Letztlich unterscheiden wir diese drei
Zustände: Lärm, Stille und Sound, also positiv besetzte
Geräusche. Wohl fühlen wir uns nur mit Letzterem.“ Und
so setzt der Klangforscher einerseits auf eine immer leiser
werdende Welt. Andererseits aber gerade auf ihre Berei-
cherung durch künstlich komponierte Klangwelten: „Tat-
sächlich stehen wir vor einer Weichenstellung für künftige
akustische Lebenswelten. Wir können den Sound unserer
Städte komplett neu denken. Wie funktioniert Wohlklang?
Wie funktioniert Zusammenklang? Wir müssen sozusagen
die DNA der Klänge entziffern. Am Ende geht es darum,
dass die Masse nicht mehr Krawall macht, sondern dass
wir zusammenkommen.“
Wer sich dann mal wieder nach wirklich authentischen
Geräuschen sehnt, kann mit seinem elektronisch soundop-
timierten Auto über künstlich beschallte Ausfallstraße zu
Ferdinand Blutner ins Erzgebirge fahren. Dort zwitschern
dann noch die Vögel. Dort knackt es noch im Unterholz.
Perfekter Klang,
sichtbar gemacht:
Dem Kammermusiksaal
der Berliner Philharmonie
ist seine formidable
Akustik bereits in die
Architektur geschrieben.
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Schindler Magazin
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