„Duft kann alles kommunizieren“
Die Dinge führen uns an der Nase herum:
ein Gespräch mit einem Duftdesigner
Die Nase, sagt Robert Müller-Grünow, ist
unser sensibelstes Sinnesorgan. Und unser
verlässlichstes, denn Gerüche bleiben uns
lange und intensiv in Erinnerung. Dennoch
wird dem Duft der Dinge im Designprozess
kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Von
müffelnden Materialien, parfümierten Orten
und dem Geruch der weiten Welt.
Herr Müller-Grünow, riechen Sie besonders gut?
Da müssen sie meine Mitmenschen fragen. Aber im Ernst:
Ich würde sagen, dass meine Nase ganz gut trainiert ist.
Mehr wäre auch gar nicht ratsam, weil ich mich ja beruflich
in die Rolle ganz normaler Nasen versetzen muss. Zudem
entwickle ich Duftkonzepte, aber ich komponiere nicht die
eigentlichen Düfte. Das macht dann ein Parfümeur.
Warum sollte ich überhaupt, als Unternehmen
beispielsweise, in ein Duftkonzept investieren?
Weil man mit einem Duft alles kommunizieren kann. Letzt-
lich wird die Dimension von Gerüchen in der Herstellung
fast aller Konsumgüter unterschätzt oder sogar verkannt.
Nehmen wir mal dieses Auto, in dem wir hier gerade sitzen
und unser Interview führen: Das könnte bei einer Investiti-
on von wenigen Euro einfach besser riechen.
Was würden sie dem Hersteller also raten?
Der erste Schritt wäre natürlich, in der Materialwahl sorg-
fältiger zu sein, also beispielsweise Kunststoffe oder textile
Sitzbezüge zu wählen, die nicht oder zumindest möglichst
neutral riechen. Ist das Kind aber schon in den Brunnen
gefallen, muss man herausfinden, welche Rezeptoren auf
die störenden Gerüche ansprechen, beispielsweise auf Aus-
dünstungen aus dem Armaturenbrett, und diese Rezepto-
ren dann gezielt mit angenehmeren Düften stimulieren.
So einfach ist das?
Von wegen. Unser Geruchssinn ist noch lange nicht
erforscht. Man fängt gerade erst an, herauszufinden,
welche Rezeptoren für welche Geruchsempfindungen
zuständig sind. Verglichen mit der Zunge etwa, also
unserem Geschmackssinn, ist die Nase noch ein
unbekannter Ort.
So genau weiß man also gar nicht, warum uns etwas
stinkt?
Tatsächlich streitet sich die Wissenschaft noch, ob unser
Verhältnis zu bestimmten Gerüchen in unserer DNA
vorprogrammiert ist. Ich tendiere ja zu dieser Annahme.
Einfach weil die Nase auf diese Weise alarmiert wird. Un-
sere frühesten Vorfahren mussten ja irgendwoher wissen,
ob diese Pflanze giftig oder jenes Stück Fleisch schon
verdorben war. Andererseits ist der Umgang mit Gerüchen
aber natürlich auch sozial gelernt und kulturell geprägt.
Wenn Sie durch die Welt reisen, werden Sie die eindrück-
lichsten Erfahrungen von Differenz vermutlich durch die
Nase wahrnehmen.
Der Geruchssinn bereichert unsere Wahrnehmung der
Welt demnach ungemein.
Deshalb plädiere ich dafür, diese olfaktorischen Unterschie-
de ernst zu nehmen. Hotelketten beispielsweise wollen
gerade alle nach White Tea, nach weißem Tee riechen. Ich
glaube nicht, dass so eine globalisierte Uniformität letztlich
zielführend ist. Das Dilemma an modernen Hotels ist doch
gerade, dass sie austauschbar geworden sind, dass man
gar nicht mehr erkennt, ob man nun in Basel, Barcelona
oder Bombay gelandet ist. Dabei wäre die Nase dankbar,
wenn man ihr an solchen Orten ein gewisses Lokalkolorit
bieten würde.
Den Duft der großen, weiten Welt?
Gemeinsam mit der Duftforscherin Sissel Tolaas haben wir
deshalb ein Konzept für Swissotel entwickelt. Die Idee war
es, einen zurückhaltenden, eleganten Duft zu kreieren,
Aromen von Schnee, Holz und roten Beeren, der auf einer
ersten Wahrnehmungsebene die Atmosphäre und die
Werte der Marke Swissotel widerspiegelt. Darüber hinaus
soll dieser Duft an jedem Standort um lokaltypische Nu-
ancen bereichert werden. Ein Hotel in Berlin riecht anders
als eines in Osaka oder Neu Delhi, aber alle riechen nach
Swissotel.
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Schindler Magazin
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